Selbsterfindung eines lesenden Kürschners: Uwe Timm über sein Buch „Alle meine Geister“
Uwe Timm ist ein Spezialist für autobiographische Bücher, die von den Rändern aus operieren, um langsam zum Zentrum vorzudringen. In „Alle meine Geister“ geht es um die Kürschnerlehre des Jugendlichen im Nachkriegs-Hamburg, um die Atmosphäre jener Jahre, um Spießigkeit, Verschweigen der Schuld und die wirtschaftlichen Zwänge vieler, um das Kleine, das Enge, was die Bundesrepublik war – aber auch um inspirierende Begegnungen, die hartnäckig betriebene Welterweiterung eines Jungen, dann eines jungen Mannes, der unbedingt Schriftsteller werden will und alles dafür tut, erst einmal zum Leser zu werden. Leben und Literatur: wie sie zusammenhängen und einander durchdringen. Was immer wieder bedeutet: Manches zu tun und anderes unbedingt zu lassen.
Uwe Timms Buch handelt von einem Handwerk, dem des Kürschners, das auf dem Tod von Tieren beruht. Heute ist dieser Beruf fast schon Vergangenheit. Das Buch „Alle meine Geister“ ist aber auch Selbsterkundung und Welterkundung: Der Autor folgt nicht nur den Wegen der Erinnerung, sondern fragt sich, wieso bestimmte Erinnerungen gerade jetzt wiederkehren und was es überhaupt mit dem Erinnern, dem Ich-Sagen und sogenannter „Erkenntnis“ auf sich hat. Ein offenes, atmendes Buch für alle, die vom Lesen nicht lassen können.
„Alle meine Geister“ von Uwe Timm ist erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch, hat 280 Seiten und kostet 25 Euro.
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